Veranstaltung: | 47. Landesparteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt |
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Tagesordnungspunkt: | 7. Weitere Anträge |
Status: | Beschluss |
Abstimmungsergebnis: | einstimmig angenommen |
Beschluss durch: | Landesparteitag |
Beschlossen am: | 26.11.2022 |
Eingereicht: | 28.11.2022, 09:56 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Großflächige Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen auf Acker und Grünland verträglich steuern
Beschlusstext
Als Bündnis 90/Die Grünen Sachsen-Anhalt wollen wir dazu beitragen, auch in
Sachsen-Anhalt den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Nur sie
können langfristig zuverlässig die Versorgung sichern. Sie machen uns unabhängig
von Importen und gewährleisten, dass Energie für Menschen wieder bezahlbar wird.
Sie schützen die Umwelt und das Klima. Um das bundesweite Ziel von 80 Prozent
erneuerbaren Strom bis zum Jahr 2030 zu erreichen, brauchen wir allein bei
Photovoltaik (PV) einen jährlichen Zubau von 22 Gigawatt. Im Jahr 2021 betrug
dieser 5 Gigawatt, wovon Sachsen-Anhalt einen Anteil von 0,3 Gigawatt hatte.
Für uns ist daher klar, dass PV überall installiert werden muss: auf Dächern, an
Fassaden, auf Konversionsflächen und eingeschränkt auch auf Acker und Grünland.
Das Interesse an großflächigen Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen (FFPV) auf Acker
und Grünland wird immer größer. Die Gemeinde-, Verbandsgemeinde- und
Stadträt*innen entscheiden mit der Bauleitplanung sowohl für landwirtschaftliche
Nutzflächen als auch für versiegelte Flächen, ob und wo und wie FFPV errichtet
werden können. Die grünen Vertreter*innen in den Kommunalparlamenten lassen sich
erfahrungsgemäß von den Gedanken leiten, dass Natur und Landschaftsbild sowie
die landwirtschaftliche Nutzung möglichst wenig beeinträchtigt werden.
Wir wollen einen gesellschaftlich akzeptierten, umweltverträglichen und
gesteuerten Solarenergieausbau, der nicht im Konflikt zur Ernährungssicherheit
steht.
Der Landesparteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möge sich deshalb zu folgendem
Verfahren positiv positionieren und den grünen Kommunalpolitiker*innen zugleich
Empfehlungen für die Erarbeitung von gemeindlichen PV-Konzepten und die
Aufstellung von Bebauungsplänen (B-Pläne) an die Hand geben:
Die Gemeinden sollen jeweils ein gemeindliches PV-Konzept mit Dafür- und
Ausschlusskriterien für den Standort und projektbezogene Bedingungen erstellen.
Wird das nicht gemacht, dann können die grünen Kommunalpolitiker*innen dennoch
die Kriterien und Anforderungen zur Abwägung für die B-Plan-Aufstellung nutzen.
Dafür-Kriterien für FFPV
- Konversionsflächen (definiert in der Empfehlung vom 1. Juli 2010 der
Clearingstelle EEG) - u.a.:- brachgefallene Anlagen der Landwirtschaft (Stallanlagen, Silos u.ä.)
- ehemalige Industrie- und Gewerbeflächen
- militärische Konversionsflächen (Landebahnen u.ä.)
- Altdeponien
- Abraumhalden (gilt nur für unbewachsene Halden, gilt nicht für
Abraumhalden mit wertvoller Galmei-Flora) - Lagerplätze
- Bergbaufolgestandorte
- brachliegende kommunale/staatliche Flächen
- brachgefallene Anlagen der Landwirtschaft
Versiegelte Konversionsflächen sollen vor dem Bau einer FFPV-Anlage entsiegelt
werden - insbesondere aus ästhetischen Aspekten zur Verbesserung des Dorf- und
Landschaftsbildes und zur Versickerung des Regenwassers (Grundwasserneubildung).
- benachteiligte Gebiete gemäß FreiflächenVO (vom 15.02.2022)
- versiegelte Flächen (§37 Abs. 1 Nr. 2a EEG) und Parkplatzflächen (§37 Abs.
1 Nr. 3d EEG)
- weitere Benennungen nach EEG (verkündet im Bundesgesetzblatt 28.07.2022)
Raumordnerische Aussschlusskriterien für FFPV (aus LEP u. REPs)
- Vorranggebiete für Natur und Landschaft
- Vorranggebiete für Hochwasserschutz
- Vorranggebiete für Landwirtschaft (fruchtbare Böden, nur in REPs
ausgewiesen),
Ausnahme: Agri-PV
- Vorranggebiete für Rohstoffgewinnung
Ausnahme: Das Vorranggebiet für Braunkohle Lützen (Info: ist nicht in
Nutzung)
- Vorranggebiete für Forstwirtschaft
- Vorrangstandorte für landesbedeutsame Industrie- und Gewerbeflächen
- regional bedeutsame Vorrangstandorte für Industrie und Gewerbe
- Vorrangstandorte für landesbedeutsame Verkehrsanlagen
- Vorrangstandorte für militärische Nutzung
- Vorranggebiete für die Nutzung der Windenergie mit der Wirkung von
Eignungsgebieten
Ausnahmen:
a)Kranstellflächen, die bei einer Nutzung
durch FFPV den Eigenverbrauch der Windenergieanlagen decken könnten
b) nach Errichtung von Neu- oder Repowering-Windenergieanlagen können
Flächenpotenziale zusätzlich für PV genutzt werden.
Ein erhöhtes Gewicht bei der Abwägung ist den Grundsätzen der Raumordnung
beizumessen.
Es handelt sich um folgende Festlegungen:
- Vorbehaltsgebiete für Landwirtschaft (ausgewiesen im LEP),
Ausnahme: AgriPV
- Vorbehaltsgebiete für den Aufbau eines ökologischen Verbundsystems
- Vorbehaltsgebiet für Kultur und Denkmalpflege
- Vorbehaltsgebiet für Wiederbewaldung
- Vorbehaltsgebiete für Tourismus und Erholung
Fachliche Ausschlusskriterien für FFPV
- Naturschutzgebiet gemäß § 23 BNatSchG7
- Europäische Vogelschutzgebiete
- FFH-Gebiet in Abhängigkeit des Schutzziels
- Landschaftsschutzgebiet gemäß § 26 BNatSchG (Prüfung auf Ausnahme ist
möglich)
- Naturdenkmal gemäß § 28 BNatSchG
- Geschützte Landschaftsbestandteile gemäß § 29 BNatSchG
- Gebiete nach § 30 BNatSchG (z.B. Gebiete mit Lebensraumtypen)
- natürliche Stand- und Fließgewässer einschließlich Gewässerrandstreifen
gemäß § 38 WHG
- Moorböden wegen besonderer Klimarelevanz
Ausnahme: Moorböden, die entwässert und landwirtschaftlich genutzt worden
sind, wenn die Flächen mit der Errichtung der Solaranlage dauerhaft
wiedervernässt werden.
- Kompensationsflächen zum Ausgleich für Eingriffe zum Arten- und
Biotopschutz
- Wasserschutzgebiete Schutzzonen 1 und 2 (in der Nähe der Brunnen)
- festgesetzte und vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete gemäß §§ 76
Abs. 1 und 3 WHG (Gebiete zwischen oberirdischen Gewässern und Deich)
- Kulturdenkmal gemäß § 2 DSchG ST, Sichtachsen zwischen und zu Denkmalen
- geplante Wohnbaugebiete (Bebauungsplan)
- Nationale-Naturerbe-Flächen (NNE)
- Schutzäcker und landwirtschaftliche Minderertragsstandorte, die eine
seltene Ackerbegleitflora enthalten
Städtebauliche und gemeindliche Ausschlusskriterien
- Festlegung von Mindest- und/oder Höchstgrenzen im Gemeindegebiet (z.B.
min./max. x % des Gemeindegebietes und/oder x % der landwirtschaftlichen
Nutzfläche)
- Festlegung von Mindest- und/oder Maximalfläche einer FFPV, Richtwert von
maximal 20 ha
(Der Bauernverband spricht sich pro Solarpark für eine Maximalgröße von 20
ha aus. Diese Größe scheint ein geeigneter Richtwert, dennoch kann die
Größe regional unterschiedlich sein.)
- Erhaltung störungsarmer Räume ohne naturschutzrechtlichen Status
- Böden mit Ackerzahlen über 80 sind auszuschließen, da es sehr ertragstarke
Standorte sind,
im Interesse der Gesellschaft und zur Sicherung der Ernährung sollen Böden
mit einer Ackerzahl von 80 und mehr nicht für die Nutzung von Freiflächen-
PV vorgesehen werden.
- und zusätzlich werden hochwertige Böden für den Ausschluss durch die
Gemeinde festgelegt: Böden mit hoher Ackerzahl in Abhängigkeit von der
jeweiligen Situation in der Gemeinde,
Ausnahme: Agri-PV
- Vermeidung von Zersiedelung (Anschluss an das Siedlungsgefüge)
- Vermeidung der Umbauung von Ortslagen
- Abstand zwischen einzelnen großflächigen FFPV
- Abstand zur Ortslage, Wochenendhausgebieten, touristischen Einrichtungen
u.ä. sollte zur Erhaltung der Akzeptanz der Bevölkerung im Einzelfall
nutzungsabhängig festgelegt werden
- Hinweis: Nähe zu Netzeinspeisepunkten, etc. ist günstig
Projektbezogene Bedingungen/Anforderungen
durch die Gemeinde
Für die Abwägung, ob und wenn ja wie eine PV-Anlage gebaut wird, sollen
standortunabhängige projektbezogene Bedingungen/zusätzliche Anforderungen durch
die Gemeinde formuliert werden und beim konkreten Projekt verbindlich gemacht
werden (z.B. über einen Vertrag).
Mögliche projektbezogene Bedingungen:
- Finanzielle Beteiligungen und/oder Vorteile für Bürger*innen und Kommunen
(z.B. vergünstigter Strompreis, Raumnutzungsabgabe von 0,2 Cent/kWh, …)
- Präferenz für Agri-PV
- Betriebssitz in der Gemeinde
- nach 20 ha sollte ein Korridor geschaffen werden, damit die Tiere die
Landschaft durchwandern können (Korridore/Trassen aus Grünstreifen und
Gehölzen)
- der Abstand von Zaun zum Boden ist so zu gestalten, dass Niederwild den
Zaun passieren kann
- Leitfäden zur naturschutzfachlichen Begrünung und Eingrünung sollen zur
Anwendung kommen
(z. B. zum Einsäen, zur Heckenbepflanzung bspw. mit 10 m breiter Streifen
mit dreireihigen Hecken und Kräuteruntersaaten, …)
Auskunft geben u.a. Naturschutzverbände oder die Hochschule Anhalt
Begründung
Die hohe Wirtschaftlichkeit von FFPV erzeugt eine Nachfrage nach großen Flächen bei Acker und Grünland.
Es besteht akuter Handlungsbedarf um zu verhindern, dass es zu negativen Auswirkungen auf Akzeptanz, Landschaftsbild und Natur sowie zu Konflikten mit der landwirtschaftlichen Nutzung kommt.
Damit auch morgen noch Kartoffeln angebaut werden und die Ernährung gesichert ist, schlagen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein gemeindliches PV-Konzept für Freiflächen - inklusive Acker- und Grünlandflächen – vor. Die Gemeinden sollen Dafür- und Ausschlusskriterien für Standorte und standortunabhängige projektbezogene Bedingungen und Anforderungen festlegen. Diese werden bei konkreten Interessensbekundungen und dem B-Plan-Verfahren zur Anwendung gebracht.
Wobei die Ausschlusskriterien zuerst geprüft werden. Ist ein Ausschluss gegeben, dann ist die Prüfung vorbei und es erfolgt kein Check der Dafür-Kriterien mehr. Kriterien an den Standort (Standort-Kriterien) und standortunabhängige Bedingungen an das Projekt (projektbezogene Bedingungen) müssen erfüllt sein als Voraussetzung für die Aufstellung eines B-Planes.
Es empfiehlt sich, dass das gemeindliche PV-Konzept als unabhängige Verfahrensschritte auch ein Kataster für Dächer und Fassaden und eine Angebotsplanung - d.h. Ausweisung - von geeigneten Konversionsflächen umfasst.
Wenn eine Gemeinde kein gemeindliches PV-Konzept macht oder die grünen Kommunalpolitiker*innen nicht mit dem Konzept einverstanden sein sollten, dann können sie die Dafür- und Ausschlusskriterien zur Abwägung für die B-Plan-Aufstellung nutzen.